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Niedersachsen: Wahlen 2008

Dr. Wolfgang Klein


 

Landtagswahlen in Niedersachsen  am 27.01.2008

Eine Wahlanalyse anderer Art

Auch in Niedersachsen werden nach Landtagswahlen den Parteien die für die Zusammensetzung des hessischen Landtags entscheidenden Zweitstimmen in Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen zugeordnet. Die Zweitstimmen haben nach dem Niedersächsischen Wahlgesetz die gleiche Funktion wie die Zweitstimmen bei Bundestagswahlen. Nach dem Anteil der erhaltenen Zweitstimmen richtet sich die Anzahl der Sitze im Landtag, die den einzelnen Parteien zufallen. Allerdings ist bei den Wahlen zum Niedersächsischen Landtag eine größere Anzahl (17) von Überhangmandaten entstanden, was einer gesonderten Betrachtung bedarf.

Nach dem Niedersächsischen Wahlgesetz beträgt die Mindestzahl der Abgeordnetensitze 135. Die CDU hat 68 Wahlkreise direkt und damit 8 Überhangmandate gewonnen. Nach dem Zweitstimmenergebnis stehen ihr nur 60 Sitze zu. Deshalb ist die Berechnung der Sitzzuteilung mit einer um die doppelte Zahl der Überhangmandate vermehrten Gesamtsitzzahl (135+16) zu wiederholen. Da die CDU bei dieser Berechnung nur 67 Sitze erhielte, ist der 68. Sitz der CDU ein nicht ausgeglichenes Überhangmandat. Von den Mehrsitzen entfallen 5 auf die SPD, 2 auf die FDP, 1 auf die Grünen und 1 auf die Linke.

Legt man die abgegebenen gültigen Stimmen zu Grunde, ergibt sich:

                                 % Erststimmen  % Zweitstimmen            % der Sitze

CDU

44,3

42,5

44,7

SPD

34,7

30,3

31,6

Grüne

07,0

08,0

07,9

Linke

06,4

07,1

07,2

Freie Wähler Niedersachsen

00,9

00,5

0

NPD

00,8

01,5

0

FDP

05,6

08,2

08,6

Sonstige

00,2

02,0

0

Summe

99,9

100,1

100

 

 

 

 

 

 

Abweichungen von 100% durch Rundungsdifferenzen **

 

Diese Zählweise täuscht über einen wesentlichen Sachverhalt hinweg.

Am 27.01.2008 waren

wahlberechtigt

6.087.297

niedersächsische Bürger.

Gewählt haben

3.476.112

= 57,1% der Wahlberechtigten.

Nicht gewählt haben

2.611.185

= 42,9% der Wahlberechtigten.

Ungült. Erststimmen

61.595

=  1,0% der Wahlberechtigten.

Ungült. Zweitstimm.

50.686

=  0,8% der Wahlberechtigten.

**

 

Bezieht man bei so niedriger Wahlbeteiligung statt auf die Zahl der gültigen Stimmen auf die Zahl der Wahlberechtigten, ergibt sich ein völlig anderes Bild:

                                     % Erststimmen   % Zweitstimmen   

CDU

24,9

23,9

der Wahlberechtigten

SPD

19,5

17,0

der Wahlberechtigten

FDP

03,2

04,6

der Wahlberechtigten

Grüne

03,9

04,5

der Wahlberechtigten

Linke

03,6

04,0

der Wahlberechtigten

Fr.Wähler Niedersa.

00,5

00,3

der Wahlberechtigten

NPD

00,4

00,9

der Wahlberechtigten

Sonstige

00,1

01,1

der Wahlberechtigten

Nichtwähler

42,9

42,9

der Wahlberechtigten

Summe

99

99,2

 

Abweichungen von 100,0 durch Rundungsdifferenzen ***

 

Aus dieser Konstellation lassen sich folgende Feststellungen ableiten:

1. Ungültige Stimmen können vorsätzlich als Wählerprotest, versehentlich oder wegen Unwissenheit abgegeben worden sein. Sie sind daher keiner Partei zuzuordnen und wurden deshalb in dieser Betrachtung nicht berücksichtigt.

2. Stärkste Partei ist wiederum die der Nichtwähler mit 42,9% der Wahlberechtigten.

3. Eine Koalition aus CDU und FDP  repräsentiert nur 28,1% (Erststimmen) bzw. 28,5% (Zweitstimmen) der Wahlberechtigten.

4. Die einst durch den "Konsens der Demokraten" verbundenen Parteien SPD, CDU und FDP repräsentieren nur noch eine Minderheit von 47,6% (Erststimmen) bzw. 45,5% (Zweitstimmen) der Wahlberechtigten. Rechnete man die Grünen den demokratischen Parteien hinzu, was bei der tiefroten, extrem linken Vergangenheit einiger ihrer Repräsentanten berechtigten Vorbehalten begegnet, käme man auf 51,5 bzw. 50,0% der Wahlberechtigten.

5. Rechts- und linksextremistische Parteien stützen sich auf 4,0% (Erststimmen) bzw. 4,9% (Zweitstimmen) der Wahlberechtigten. Ihr Anteil an den abgegebenen gültigen Stimmen beträgt allerdings mit 7,2 (Erstimmen) bzw. 8,6% (Zweitstimmen) fast das Doppelte !

6. Nichtwähler und extremistische Parteien stützen sich zusammen auf 46,9 (Erststimmen) bzw. 47,8% (Zweitstimmen) der Wahlberechtigten, mithin auf fast das Doppelte der Regierungskoalition.

7. Eine satte Zweidrittelmehrheit von 71,9% (Erststimmen) bzw. 71,5% (Zweitstimmen) der Wahlberechtigten hat gar nicht oder keine der die Regierung tragenden Parteien gewählt.

8. CDU und SPD haben mehr Erst- als Zweitstimmen erhalten. Bei FDP, Grünen, Linken und NPD ist es umgekehrt. Der hohe "Zweitstimmenüberschuß" der FDP und der hohe "Erstimmenüberschuß" der CDU läßt auf Leihstimmen von CDU-Wählern zu Gunsten der FDP schließen. Der "Zweitstimmenüberschuß" von Grünen, Linken und NPD dürfte Wählerprotest ausdrücken. 

  • Auch dieses Ergebnis ist m.E. in hohem Maße besorgniserregend und Folge einer seit Jahren durch politische Fehlleistungen zunehmenden Politik- und Politikerverdrossenheit. Angesichts dessen wurde der Ruf laut, die sogenannten Volksparteien müßten in den kommenden Jahren verloren gegangenes Vertrauen bei den Wahlberechtigten zurückgewinnen. Von solchen Bemühungen ist bisher wenig zu bemerken. Das niedersächsische Wahlergebnis muß trotz Fortbestand der CDU-FDP-Koalition nachdenklich stimmen !!
  • ** Quelle: Niedersächsischer Landeswahlleiter

           http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C44870944_L20.pdf

    *** Eigene Berechnungen aus den Zahlen des Niedersächsischen Landeswahlleiters.

     

      W.K.

       

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