Zu: "Boden-Ozon bremst das Wachstum von Bäumen." Welt am Sonntag Nr. 14 vom 02.04.1995.
Der Artikel ist unbefriedigend weil offensichtlich tendenziös. Der nicht fachkundige Leser wird fehlinformiert. Hierzu 3 Anmerkungen:
Zitat 1: "Ozon in Bodennähe vermag das Wachstum von Bäumen offenbar in erheblichem Maße zu beeinträchtigen, ergaben Versuche mit Pinien." "In besonders trockenen Jahren blieb das Wachstum von Versuchs-Pinien um 13% hinter dem von Bäumen zurück, die nur geringer Ozonbelastung ausgesetzt waren."
Allein aus methodischen Gründen ist die Aussage so nicht haltbar, weil nicht nur die Prüfgröße Ozon sondern auch das Wasserangebot verändert wurden. Auch könnte es sich nach den mitgeteilten Fakten um eine sinnvolle Wachstumsbremsung bei Trockenheit und nicht um eine Schädigung handeln! Im Übrigen ist die wachstumshemmende Wirkung von Ozon auf bestimmte Pflanzen, z.B. kalifornische Kiefern seit langem bekannt und spielt für in Mitteleuropa heimische Pflanzen praktisch keine Rolle.
Zitat 2: "Dieses Ozon entsteht unter dem Einfluß von Sonnenlicht aus dem Abgas von Automobilen."
Die Aussage ist falsch. Ozon entsteht aus Sauerstoff. Zur Bildung von Ozon aus Sauerstoff durch Sonnenlicht ist die Gegenwart von Stickstoff-Sauerstoffverbindungen und ungesättigter Kohlenwasserstoffe erforderlich. Die Stickstoff-Sauerstoffverbindungen stammen keineswegs nur aus Autoabgasen. Sie sind nicht nur an der Bildung sondern auch am raschen Abbau von Ozon beteiligt. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe in der Luft stammen zu 90% aus dem Stoffwechsel von Pflanzen, insbesondere von Nadelbäumen. Die höchsten Ozonkonzentrationen werden folgerichtig in und über Reinluftgebieten gemessen. Hohe Ozonkonzentrationen galten daher lange als ein Kennzeichen besonders guter Luft.
Zitat 3: "Als gesundheitsschädlich für den Menschen gelten Ozonkonzentrationen von mehr als 120 (µg pro Kubikmeter Luft)."
Ozon wurde zu einem Zeitpunkt den Schadstoffen zugeordnet, als harte Daten über seine gesundheitsschädigende Wirkung kaum vorlagen. Mangels gesicherter Erkenntnisse hat die Deutsche Umweltministerkonferenz empfohlen, empfindliche Menschen sollten bei Ozonkonzentrationen über 180 µg/cbm und Gesunde bei solchen über 360 µg/cbm langdauernde körperliche Anstrengungen im Freien meiden. Inzwischen sind einige Untersuchungen angestellt worden. Sehr hohe Ozon-Konzentrationen (400 bis 1200 µg/cbm) können bei Gesunden die Empfindlichkeit gegenüber bronchialverengenden Stoffen und Allergieerzeugern steigern. Andereseits ist eine Gewöhnung an sehr hohe Ozonkonzentrationen (800 - 1000 µg/cbm) möglich. Bei der Olympiade 1984 in Los Angeles konnte eine Leistungsminderung der Sportler unter ungewohnt hohen Ozonkonzentrationen nicht nachgewiesen werden. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dem Zeitgeist folgend auch in der Medizin mit Eifer versucht wird, die Schadstoffeigenschaft von Ozon quasi nachträglich zu belegen. Im Alltag eines deutschen Arztes spielt Ozon als krankmachender Faktor jedenfalls keine Rolle.
Wer sich die Gesundheit seiner Mitmenschen angelegen sein lassen will, dem sei geraten, alle Kräfte auf die Bekämpfung der wichtigsten und zugleich sicher belegten Schädlichkeiten unserer Zeit zu richten. Diese sind Übergewicht, Rauchen und Alkoholmißbrauch. Schlagzeilen sind damit allerdings nicht zu machen.
Dr. med. Wolfgang Klein, Berlin
Literatur:
Schweisfurth, H.: Dtsch. med. Wschr. 119 (1994), 351.
Müller, H. E.: Dtsch. med. Wschr. 119 (1994), 939.
Magnussen, H., R. Jörres: Dtsch. med. Wschr. 114 (1989), 1416.
Behse, P.: Umweltschäden: Forscher sprechen das Auto frei, Welt am Sonntag vom 06.02.1994.
Hompesch, H.: Unstrittig, Welt am Sonntag vom 18.07.1993.
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