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Sinn und der unterstellte Vergleich
Zu "Sinn und die Manager" und "Ifo-Präsident Sinn entschuldigt sich", FAZ vom 28.10.2008, sowie zu weiteren Publikationen wegen der gegen Prof. Sinn erhobenen Vorwürfe:
In einem Interview, das der Tagesspiegel am 27.10.2008 veröffentlichte, antwortete Prof. Dr. Hans-Werner Sinn auf die Frage "Die Manager als Opfer?" wie folgt: "In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken. Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager" (Quelle: http://www.tages spiegel.de/wirtschaft/Finanzen-finanzkrise;art130,2645880). Das aus dem Zusammenhang gerissene Zitat wurde bereits am 26. Oktober über verschiedene Nachrichtenagenturen verbreitet. In einer am selben Tag veröffentlichten Erklärung hat der Generalsekretär des Zentralrats der Juden gegenüber der Presse Prof. Sinns Äußerung scharf kritisiert, was im Laufe des Folgetages von Radiosendern und Online-Medien intensiv verbreitet wurde (Quelle:u.a.Ifo- Institut: http://www.cesifo-group.de/ portal /page/ portal/ifoContent/N/pr/ Stellungnahmen/Stellungnahme 20081027/ 2008 1103Infoblatt_VS12.pdf). Prof. Sinn wurde unterstellt, er habe die Juden mit den Bankmanagern von heute und die Judenverfolgung durch den NS-Staat mit der heutigen Finanzkrise verglichen. "Politiker und Religionsvertreter sind empört über Hans-Werner Sinns Gleichsetzung von Judenverfolgung und Managerkritik. Es sei ein starkes Stück, daß jemand Antisemitismus mit berechtigter Kritik an manchen Bankenvertretern verwechsele". Auch Forderungen nach dem Rücktritt des Ifo-Chefs werden laut (Quelle u.a. Süddeutsche Zeitung vom 27.10.2008). Sinn wurde vielfach, auch aus Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium aufgefordert, den Vergleich zurückzunehmen und sich zu entschuldigen (Quelle: u.a. FAZ vom 28.10.2008).
Tatsache ist: Das tertium comparationis in Sinns Äußerung ist der Sündenbock. Und das ist nach heutigem Sprachgebrauch jemand, dem in unberechtigter Weise die Schuld an etwas zugeschoben wird, der für etwas büßen muß, obwohl er gar nicht schuldig ist (Dtsch. Bibliograph. Institut, Duden Band 10 (Bedeutungs- wörterbuch) Seite 639). Sinn hat demnach festgestellt, daß jüdischen Bankiers 1929 zu Unrecht die Schuld an der damaligen Weltwirtschaftskrise zugeschoben wurde und den Bankmanagern heute zu Unrecht die Schuld an der gegenwärtigen. Die wirkliche Ursache solcher Krisen sei vielmehr ein Fehler im System. Etwas Anderes läßt sich Sinns Worten nicht entnehmen. Die behaupteten Vergleiche hat er nicht angestellt. Es ist in hohem Maße intellektuell unredlich, sie in seine Äußerung hinein zu interpretieren, sie dennoch zu unterstellen. Die daraus entstandene grundlose Hetzkampagne gegen Prof. Sinn erregt Besorgnis. Einen von Prof. Sinn getätigten Vergleich, der rücknahmepflichtig wäre, vermag ich ebenso wenig zu erkennen wie die Notwendigkeit, sich beim Zentralrat der Juden in Deutschland zu entschuldigen. Der Zentralrat und/oder einzelne seiner Mitglieder sollten etwas mehr Zurückhaltung üben. Vorgänge solcher Art bewirken, wie man immer wieder beobachten kann, das genaue Gegenteil dessen, was wünschenswert ist. Zum Anderen: In Deutschland sind bisher in erster Linie staatliche oder halbstaatliche Banken in Schwierigkeiten geraten, und in deren Leitungs- und Aufsichtsgremien wimmelt es bekanntlich von Politikern. Auch denen stünden deshalb Mäßigung und mehr kritische Prüfung der eigenen Wortwahl gut an. In diesem Zusammenhang sei an die Rolle von Politikern im Skandal um die Bankgesellschaft Berlin 2001 erinnert, die bis heute Strafgerichte beschäftigt.
W.K. 29.10.2008
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