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Ein Brief oder DiaMat

Dr. Wolfgang Klein


 

Ein Brief oder DiaMat

Den folgenden Brief vom 18.12.2000 fand ich durch Zufall und halte ihn für nach wie vor höchst aktuell.

Liebe(r) NN,

vor längerer Zeit hattest Du mir versprochen, Dich mit dem Marxismus, synonym gebraucht für dialektischen und historischen Materialismus, zu beschäftigen, wenn Du einmal Manager(in) seiest. Da ich meine Zweifel hatte, daß das dann noch gehen würde, versprach ich Dir etwas später, aber nun auch schon vor längerer Zeit, Dir als methodische Hilfe zu diesem Unterfangen die beiden Bände "Sowjetideologie heute" von Gustav A. Wetter und Wolfgang Leonhardt zu schenken, denn die kritische Auseinandersetzung mit Marx ist nach Aussage eines am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin tätigen Wissenschaftlers eine Lebensaufgabe. Dies allein wegen des Umfangs der Marxschen Hinterlassenschaft, die bei normaler Einbandgröße viele Meter Bücherregal füllt. Deshalb besteht für eine(n) anderweitig voll ausgefüllt Festgelegte(n) keine Chance, die Exegese der Originaltexte zu bewältigen, für eine(n) Manager(in) schon gar nicht. Man ist auf die Hilfe eines kompetenten und zugleich zuverlässigen, weil seriösen Führers im Dschungel angewiesen. In solchen Zusammenhängen haben Jesuiten schon immer Großartiges geleistet. So auch hier, denn einer der Autoren ist Jesuit und, wie man lesen kann, zudem ein hochgebildeter Mann, wie Jesuiten so oft.

Nun könnte man meinen, Sowjetideologie sei nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr von Interesse. Zunächst ist festzustellen, daß es wegen Fehlens der Sowjetunion  eine Sowjetideologie natürlich nicht mehr geben kann, das Denkgebäude des dialektischen und historischen Materialismus aber unverändert - nunmehr wieder unter seiner ursprünglichen Bezeichnung - weiter besteht. Die Hoffnung, der auch ich erlegen war, der Zusammenbruch des Ostblocks als drastische de facto-Beweisführung  für Unrichtigkeit und daraus folgende Unfähigkeit des Marxismus und die nach derzeitigem Wissensstand 100 Millionen Menschen, die weltweit im Namen des politisch organisierten Materialismus umgebracht wurden, würde das Thema Marx und seiner Epigonen ein für allemal erledigen, hat sich als trügerisch erwiesen.

Die Faszination dieser Philosophie, die behauptet, streng wissenschaftlich zu sein, eine lückenlose, alles Sein und alle Vorgänge in diesem Sein erklären, aus diesem Wissen die weitere Entwicklung vorhersagen zu können und zudem einen absoluten Unfehlbarkeitsanspruch erhebt, allen Gegnern die Fähigkeit, wahre Erkenntnisse zu gewinnen, abspricht, ist nach meiner Einschätzung nicht gebrochen. Das oft primitive Kausalitätsbedürfnis der Menschen kommt dem sicher sehr entgegen. Unkenntnis ebenso. Die verbindende Kraft dieser Faszination und die daraus resultierenden politischen Möglichkeiten werden verhängnisvoll unterschätzt. Mit der Unkenntnis hat es überdies eine besondere Bewandnis. Man trifft immer wieder auf von Zeitgenossen geäußerte Gedanken, Meinungen, Äußerungen,  deren marxistische Herkunft von den Lesern, Hörern, Zuschauern und "Glotzern"  aus Unkenntnis nicht erkannt wird. Geradezu grotesk ist, daß nicht selten die Urheber solcher Gedanken, Meinungen und  Äußerungen selbst um den marxistischen Ursprung ihrer eigenen, in der Regel nachgeplapperten   Geistesprodukte aus ebensolcher Unkenntnis nicht wissen. So wird denn Marx unwissend weitergereicht und unwissend übernommen. Diese weit bis in die "höchsten Etagen" unserer Politik und  Gesellschaft verbreitete Unwissenheit ist im übrigen gegebene Voraussetzung für Manipulation durch marxistisch Geschulte, von der nach meiner  am Beispiel gewonnenen Überzeugung reichlich  Gebrauch gemacht wird. Für den in Sachen Marxismus nicht ganz unbedarften Zeitgenossen ist dies anhand der politisch-taktischen Lehren des DiaMat verhältnismäßig leicht durchschaubar. Ansonsten halte ich es auch in dieser Sache mit Popper: Wenn eine einzige Voraussetzung einer Therorie sich als unrichtig erweist, ist die ganze Theorie zu verwerfen oder - sofern möglich - neu zu konzipieren. Der Erweis solcher Unrichtigkeit(en !!!) ist längst da. Die geistige Auseinandersetzung im Sinne der  Popperschen Forderung unterbleibt. Im Hebräerbrief Kapitel 12 Vers 15 kann man lesen: ".......sehet darauf,........daß nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und viele durch dieselbe verunreinigt werden, .........".  Ich halte den DiaMat für eine solche "bittere Wurzel" und stimme auch der Auffassung zu, der Materialismus Marxscher Prägung und die Psychoanalyse seien die beiden großen geistigen Katastrophen des 19. und 20. Jahrhunderts (Urheber dieser Aussage ist mir leider entfallen).

Die "Sowjetideologie heute" von Wetter / Leonhardt* ist lange vergriffen und wie zur Bestätigung des oben Gesagten nicht wieder neu aufgelegt. Ich hatte nach vergeblichen Versuchen, die Bücher  antiquarisch zu ergattern, die Hoffnung schon aufgegeben, mein Versprechen halten zu können. Doch Beharrlichkeit im Verein mit erweiterten technischen Möglichkeiten blieb nicht fruchtlos. Unter der Internetadresse www.Buecher.de ist ein Zentralregister offenbar vieler deutscher Antiquariate   zu erreichen, das sage und schreibe 1,5 Millionen  registrierte Bücher aufweist ! Da bin ich prompt fündig geworden, und es sind noch weitere Exemplare vorhanden !!

Mit Ratschlägen halte ich mich gegenüber Erwachsenen zurück. Von diesem Prinzip sei eine Abweichung gestattet: Ich denke, der Band I ist der eher wichtigere, obwohl die politischen Lehren ( oft = Tricks) in Band II nicht ohne Interesse sind. Ich rate, mit dem Kapitel 2 ( Die Materie und ihre Eigenschaften ) in Band I zu beginnen. Es ist instruktiv bezogen auf das Ganze und führt m.E. besonders dem naturwissenschaftlich vorgebildeten schnell  einige Knackpunkte vor Augen.

Ich wünsche intellektuelles Vergnügen, Bereicherung für die Praxis und das ganze Dasein überhaupt und schließlich Dir und Deiner Familie eine gesegnete Weihnacht

* Sowjetideologie heute in 2 Bänden von Gustav A. Wetter und Wolfgang Leonhardt, Fischer Bücherei Frankurt am Main  und Hamburg, 1962.

W. K.                                                9. Dezember 2012

 

 

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