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Unrecht zu Recht ?

Dr. Wolfgang Klein


Unrecht zu Recht ?

In der Debatte um Entschädigungsforderungen der Preußischen Treuhand erschien in der FAZ vom 04.10.2004 ein Leserbrief mit dem Titel “Kein Recht auf Rückgabe”. Ausgehend vom Beschluß des polnischen Parlaments (Sejm), Entschädigungsansprüche deutscher Vertriebener mit Reparationsforderungen zu beantworten, schreibt der Leserbriefautor folgenden Satz:

“Der Beschluß der Sejm verweist eher darauf, wie unhaltbar jegliche Entschädigungsforderungen von Deutschen sind, wie schwer auch immer das individuell erlittene Unrecht wiegen mag: Zerstörung und Leid, das Deutsche zu Recht oder zu Unrecht im Zweiten Weltkrieg erfahren haben, ist nun einmal die Folge eines Aggressionskriegs, der von Deutschland ausging.”

Dieser Satz enthält eine fest umrissene, in sich geschlossene  Aussage. Seine Herauslösung aus dem Kontext bewirkt weder eine Sinnentstellung noch kann sie zu Mißverständnissen führen. Kern der Aussage ist: Wie schwer das erlittene Unrecht auch wiegen mag, das Deutsche zu Recht oder zu Unrecht  im zweiten Weltkrieg erfahren haben,  ............................. . Deutschen wäre also von den Siegermächten zu Recht Unrecht angetan worden ??

Das ist ein exemplarischer Denkfehler! Unrecht kann nicht zugleich Recht sein. Unrecht kann deshalb nicht zu Recht zugefügt werden. Es kann eine Sache nicht gleichzeitig  richtig und falsch sein (“Satz vom Widerspruch”). Etwas zu bejahen und zugleich zu verneinen, ist ein klarer Verstoß gegen diesen. Das Deutschen von den Siegermächten zugefügte Unrecht bleibt Unrecht und ist,  wie jedwedes andere Unrecht, durch nichts zu rechtfertigen. Selbst der Mord an einem Mörder bleibt ein Mord und somit Unrecht. Bezeichnenderweise tritt dieser “Denkfehler”, sei es bei ausländischen, sei es bei deutschen Politikern und Repräsentanten anderer Art, grundsätzlich nur in gegen Deutsche und Deutschland gerichteten Äußerungen auf. Wo war zu hören oder ist zu lesen,   z.B. Russen, Polen, Tschechen, Franzosen oder Serben sei – von wem auch immer – zur Recht Unrecht zugefügt worden? Der “Denkfehler” ist nichts anderes als der auf Dauer sicher untaugliche Versuch, sich am Eingeständnis schwerer Schuld auch bei den Siegermächten vorbeizumogeln. Die nach gleichem Schema ablaufenden deutschen Selbstbezichtigungsbeschwörungen sind nicht nur genauso falsch, sondern weisen zusätzlich mitunter geradezu psychotisch anmutende Wesenszüge auf.

Der “Denkfehler” und seine Handhabung haben eine ganze Epoche geprägt. Sie ist gekennzeichnet  durch eine perverse Doppelmoral, die im Zusammenhang mit der Vertreibung schon Papst Pius XII. in den Jahren 1945, 1946 und 1947 gebrandmarkt hat. So erklärt Pius XII. in der Weihnachtsansprache 1945: “Wer Sühne für Schuld verlangt durch gerechte Bestrafung der Verbrecher nach dem Maß ihrer Verbrechen, muß peinlich darauf achten, daß er nicht das Gleiche tut, was er den anderen als Schuld oder Verbrechen vorhält. Wer Wiedergutmachung will, muß sie fordern aufgrund der Sittenordnung, der Achtung vor den unverletzlichen Naturrechten, die auch jenen verbleiben, die sich dem Sieger bedingungslos ergeben haben . . . Mit schlecht verhüllter Grausamkeit werden Millionen von Menschen, Hunderttausende von Familien in tiefstem Elend von Haus und Hof vertrieben, entwurzelt und aus einer Zivilisation und einer Kultur, die sie durch Generationen entwickelt haben, herausgerissen." Wenige Wochen später, am 20. Februar 1946, wiederholte er seine Mahnung: "Es gehen verhängingvolle Irrtümer um, die einen Menschen für schuldig und verantwortlich erklären nur deshalb, weil er Glied oder Teil irgendeiner Gemeinschaft ist, ohne daß man sich die Mühe macht, nachzufragen und nachzuforschen, ob bei ihm wirklich eine persönliche Tat- oder Unterlassungsschuld  vorliegt." Und am 2. Juni 1947 warnte er erneut: “Wir wollen die Anhäufung der Schuld (der Nazis) gewiß nicht verkleinern, aber wie können die siegreichen Völker ihrerseits die Methoden des Hasses und der Gewalt anwenden, aus denen jenes System lebte und handelte? Wie können sie Waffen gebrauchen, deren Benutzung durch andere ihre gerechte Entrüstung hervorrief? Deshalb möchten wir die Völker noch einmal warnen und mahnen." (Quelle: Oskar Golombek (kath. Geistlicher): Pius XII. zum Problem der Vertreibung, Sammlung von Worten und Weisungen Pius XII. in Heft 1  der Schriftenreihe der kathol. Arbeitsstelle Nord für Heimatvertriebene, 3. Auflage, Wienand Verlag Köln 1963; die Quellenangabe verdanke ich Herrn Prof. Dr. J.J. Menzel, Mainz).

Die andauernde einseitige Schuldzuweisung an die Deutschen (Tätervolk, Kollektivschuld, Kollektivscham, Kollektivverantwortung etc.) und die Selbstbezichtigung durch Deutsche sind die Perpetuierung des “Denkfehlers”: Eine schlechte Basis für Versöhnung, Aussöhnung, Frieden, Völkerverständigung und Europäische Einigung.

    W. K.

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