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Kollektivschuld II

Dr. Wolfgang Klein


 

Kollektivschuld II.

Eine aufschlußreiche und beunruhigende Korrespondenz

 

Dipl-Ing. N.N. (1)                                                                     11.5.2009  Bürger der Bundesreublik Deutschland                              Geschlecht: Weiblich

 

An das ARD Morgenmagazin

Heutiger Beitrag zum Papstbesuch in Israel von Michael Mandlik

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Befremden habe ich - Jahrgang 1964, jüdischer Abstammung – folgende Aussage des betreffenden Reporters zur Kenntnis genommen: “Es muß festgestellt werden, daß es eine Kollektivschuld gibt.” Damit wollte er sagen, daß der Papst dies nicht deutlich genug gesagt hatte.

Ich wehre mich hiermit entschieden gegen die Verkündigung der “Kollektivschuldthese” durch Ihren Sender! Schuld kann nur individuell sein. Der Begriff “Kollektivschuld” ist eine Sinnwidrigkeit in sich. Das gleiche gilt für die gerne gebrauchten Ausdrücke “kollektive Verantwortung” oder “Kollektivscham”.

Die pauschale Verurteilung einer ganzen Nation als “Tätervolk” ist auf der ganzen Welt einmalig. Wer hat je “die Russen” für Stalin, “die Franzosen” für die Guillotine und Napoleon oder etwa “die Amerikaner” für die Ausrottung der Indianer verantwortlich gemacht? Dies sind nur einige Beispiele aus einer Reihe von vielen Möglichkeiten.

Ein Drittel der Wähler haben 1933 die NSDAP gewählt. Im Umkehrschluß bedeutet das, daß zwei Drittel der Wähler dies nicht getan haben. Kurz darauf wurde Deutschland zu einer Diktatur. Was man den Deutschen nun vorwerfen könnte ist, daß sie  – Folter und Tod nicht scheuend – nicht alles daran gesetzt haben, die Diktatur zu stürzen. Herr Mandlik hätte dies sicherlich ohne zu zögern getan.

Deutschland hat bereut und gebüßt. Vergebung wurde ihm jedoch nicht zuteil. Stattdessen wird ein ganzes Volk seit Jahrzehnten, hinein in nachgeborene Generationen, immer wieder angeklagt. Einer Versöhnung dient dies nicht. Das Gegenteil ist der Fall.

Es ist traurig, daß das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Zuschauer offenbar für dumm hält und mit solchen dreisten Propaganda-Formeln berieselt. Viele Menschen im Lande denken so wie ich und würden mit mir sagen: “Wir können es nicht mehr hören, bitte verschonen Sie uns damit.”

Mit freundlichen Grüßen

N.N. (1)

Anmerkung (1): Nomen Nominandum (lat: "der Name ist noch zu nennen") bedeutet heute: "Der Name ist hier einzusetzen." Sie wird bei Quellenangaben, im Organisationswesen und ähnlichen Kontexten (Veranstaltungen, Positionen usw.) für eine noch unbekannte oder später zu benennende oder absichtlich nicht genannte Person verwendet. Es ist eine zeitgenössische etymologische Falschlesung der antiken Abkürzung "N. N."; die ursprüngliche und historisch korrekte lateinische Ausschreibung der Abkürzung entstammt der Prozessordnung und Rechtstheorie des antiken römischen Staates und lautet Numerius Negidius (im römischen Rechtswesen ein fiktiver Name für die beklagte Partei).

 

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Dipl. Ing. N.N. (1)                                                                    11.05.2009   Bürger der Bundesrepublik Deutschland,                        Jahrgang 1960, Geschlecht: männlich

 

ARD-Zuschauerredaktion                                                             info@DasErste.de

Beitrag in der heutigen Morgenmagazinsendung zum Papstbesuch in Israel

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Äußerungen Ihres Auslandskorrespondenten Michael Mandlik haben bei mir größte Bestürzung  hervorgerufen. Herr Mandlik hat in der Sendung gefordert Papst Benedikt müsse die Kollektivschuld des deutschen Volkes feststellen.

Wie kann Herr Mandlik sich hier nicht nur in agitierender sondern auch noch in inkompetenter Weise vor die Kamera stellen und etwas fordern, was es gar nicht gibt?

Bundespräsident Roman Herzog sagte vor dem Deutschen Bundestag am 19. Januar 1996: “Schuld ist immer höchstpersönlich, ebenso wie Vergebung. Sie vererbt sich nicht” 

Das Urteil der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse gegen die I.G. Farben entschied:

"Es ist undenkbar, daß die Mehrheit aller Deutschen verdammt werden soll mit der Begründung, daß sie Verbrechen gegen den Frieden begangen hätten. Das würde der Billigung des Begriffes der Kollektivschuld gleichkommen, und daraus würde logischerweise Massenbestrafung folgen, für die es keinen Präzedenzfall im Völkerrecht und keine Rechtfertigung in den Beziehungen zwischen den Menschen gibt."

Die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt zum Thema Kollektivschuld: “Dass Nachgeborene, also die heutigen Jugendlichen und ihre Eltern, im moralischen oder rechtlichen Sinne an Verbrechen schuldig oder mitschuldig sind, die vor 1945 begangen wurden, ist natürlich nicht möglich. Aber auch direkt nach 1945 ist der Vorwurf der Kollektivschuld gegen die Deutschen insgesamt nicht ernsthaft erhoben worden. Keine Handlung der alliierten Besatzungsmächte nach dem Zusammenbruch des national- sozialistischen Staats wurde mit der "Kollektivschuld" der Deutschen begründet.”

Ihr Herr Mandlik aber weiß es besser und zeigt damit nicht nur seinen eigenen Mangel an Bildung, er fordert sogar noch vom Papst, dieser möge seiner unsinnigen Forderung Folge leisten.

Ich bitte Sie Herrn Mandlik aufzuklären und dafür zu sorgen, daß so etwas nicht mehr bei Ihnen gesendet wird.

Hochachtungsvoll

N.N. (1)

Anmerkung (1): wie oben.

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Der Verfasser des zweiten Beschwerdebriefes erhielt am 12.Mai 2009 per e-mail die folgende Antwort des Stellvertretenden Redaktionsleiters des ARD-Morgenmagazins, Herrn Hanno Frings: 

Sehr geehrter Herr N.N.

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ich habe Ihre Kritik mit ARD- Korrespondent, Herrn Michael Mandlik, diskutiert. Er hat folgendes geschrieben:

"Tatsächlich ist es nicht so, dass die ARD von einer "deutschen Kollektivschuld" ausgeht, etwa in der Art, wie vornehmlich politisch extreme Kreise nach dem Zweiten Weltkrieg propagandistisch versucht hatten, den Alliierten eine Mitschuld am Ausbruch des Krieges oder den Folgen zu unterstellen. So war meine Anmerkung auch nicht gemeint.

Der Begriff "Kollektivschuld" bezog sich im Zusammenhang mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und der Ermordung von sechs Millionen Juden nicht auf die politische oder juristische, sondern vielmehr auf die moralische und theologische Interpretation einer historischen Verantwortlichkeit für das, was im deutschen Namen geschah. Karl Jaspers oder Karl Barth etwa hatten die kollektive Verantwortung des deutschen Volkes als eine moralische Forderung artikuliert. Theologisch betrachtet geht es also um die Frage der Aufarbeitung von und Beschäftigung mit Schuld und Sühne, den Gedanken einer "Solidarität der Schuld", so wie es die evangelischen Bischöfe unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg formuliert hatten. Vor allem auch in diesem ethischen Kontext macht sich also schuldig, wer - damals wie heute - den Holocaust leugnet.

Die Erinnerung an den Holocaust und deren Weitergabe an kommende Generationen ist also eine Pflicht, die die Deutschen im besonderen in die Verantwortung nimmt. Oder anders ausgedrückt: Käme man dieser Verantwortung nicht oder nur ungenügend nach bzw. ließe man - und sei es auch nur in fahrlässiger Weise - eine Leugnung oder Verharmlosung des erfolgten Völkermordes zu, dann würde die Frage der "Kollektivschuld" plötzlich wieder relevant. Oder wie es der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz nun formulierte: Jede Generation habe die Pflicht, "an das Geschehene zu erinnern und alles dafür zu tun, dass sich der Holocaust nie wiederholt". Dies ist und bleibt auch in Zukunft eine moralische Verpflichtung.

In diesem  gedanklichen  Kontext hatte  ich von "deutscher Kollektivschuld"   gesprochen. Es täte mir leid, sollte ich dies in der Live-Schalte des ARD-Morgenmagazins nicht bzw. nicht zur Genüge verständlich gemacht haben."

Soweit Herr Mandlik. Ich finde, sehr geehrter Herr ......, dass dies eine klare Argumentation ist,  insoweit hoffe ich, dass wir zur Aufklärung beitragen konnten,

freundliche Grüße,

Hanno Frings

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Beide Zuschauerkritiken wie auch die erteilte Antwort von Herrn Frings gelangten mir zur Kenntnis, was mich veranlaßte, mich meinerseits wie folgt zu äußern:

Herrn Hanno Frings,                                                                      Stellvertretender Redaktionsleiter ARD Morgenmagazin Via e-mail

 

Betrifft: Beitrag zum Papstbesuch in Israel von Michael Mandlik                                im ARD-Morgenmagazin vom 11.05.2009

 

Sehr geehrter Herr Frings,

Ihre Antwort auf eine kritische Zuschaueräußerung zum oben genannten Beitrag ist mir zur Kenntnis gelangt und veranlaßt mich zu einer weiteren kritischen Anmerkung:

Auf die umfangreiche Stellungnahme von Herrn Mandlik in allen Einzelheiten einzugehen, würde Seiten füllen und wäre allein aus diesem Grunde in einer Zuschrift der vorliegenden Art eher unangebracht. Deshalb in aller Kürze: Wer, in welchem Zusammenhang auch immer, Kollektivschuld behauptet, begeht eine kollektive, unzulässige Schuldzuweisung an alle Unschuldigen, und das ist in aller Regel die überwältigende Mehrheit des beschuldigten Kollektivs (s. Anhang). Herr Mandlick hat Kollektivschuld gesagt und behauptet nun, etwas anderes gemeint zu haben. Derart unsorgfältige Wortwahl würde allerdings der einzufordernden journalistischen Sorgfaltspflicht nicht genügen. Wenn Sprache ein Mittel der Verständigung sein, bleiben oder werden soll, müssen benutzte Begriffe klar, das heißt sinngerecht, definiert sein und auch verwendet werden. Im übrigen kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Herr Mandlik in seiner Stellungnahme mit vielen Worten um den Kern der Zuschauerkritik herumredet, um den ihm unterlaufenen Lapsus nicht einzugestehen.

Schlußbemerkung: Es fällt auf, daß In der Videothek des ARD-Morgen- magazins unter den Beiträgen zum Papstbesuch in Israel vom 11. Mai 2009 der hier beanstandete nicht enthalten ist. Oder habe ich etwas übersehen ?

Mit freundlichen Grüßen

W. Klein

 

Anhang: Als Anhang wurde diesem Brief der Volltext des Artikels

     Über Schuld, Scham und Verantwortung

beigefügt, der auf meiner Internetseite unter dem Titel “Kollektivschuld ?” zu finden ist.

W. K.                                                                    18.05.2009

 

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